Sonderveröffentlichung
Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit?

Von wegen neumodischer Kram

Von wegen neumodischer Kram

Der Ursprung des Begriffs Nachhaltigkeit liegt in der Forstwirtschaft. Fotos: dpa/Verbraucherzentrale NRW

Wer glaubt, dass Nachhaltigkeit neumodischer Kram ist, der irrt gewaltig. Der Begriff stammt aus dem 17. Jahrhundert, weiß Dr. Jonas Grauel von der Verbraucherzentrale NRW. „Die Bezeichnung kommt aus der Forstwirtschaft. Es geht darum, aus einem Wald nicht mehr Holz zu entnehmen, als in einem entsprechenden Zeitraum wieder nachwächst“, erklärt er. Sprich: Die Ressourcen, die vorhanden sind, sollen schonend genutzt werden, so dass sie auch noch in Zukunft zur Verfügung stehen.Heutzutage ist für Jonas Grauel die Bezeichnung Nachhaltigkeit zu einem Schlagwort geworden. „Im Kern trifft diese aber nach wie vor zu und lässt sich auch auf andere nachwachsende Ressourcen übertragen: Nachhaltiges Handeln ist ein zukunftsfähiges Handeln“, betont er.Der Experte verrät, dass es drei Säulen der Nachhaltigkeit gibt: die ökologische, ökonomische und soziale. „Ich finde es irreführend, die drei Säulen gleichwertig nebeneinander zu stellen“, meint Jonas Grauel: „Weil man sagen muss, die ökologische Nachhaltigkeit ist die Basis unseres Lebens. Wenn wir diese ausbeuten, ist die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit nicht mehr gegeben.“ Deshalb sein Appell: „Wir müssen uns um die ökologische Nachhaltigkeit kümmern.“

Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit?

Um das 1,5 Grad-Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, verweist Jonas Grauel auf Rechenmodelle von Klimaforschern. Demnach liege das CO2-Budget für jeden Weltbürger bei 1,2 Tonnen pro Jahr. Der Durchschnittsdeutsche verbrauche derzeit aber elf Tonnen im Jahr, lebe also nicht nachhaltig.

Von wegen neumodischer Kram-2
Das kleine Bild zeigt Dr. Jonas Grauel.Das kleine Bild zeigt Dr. Jonas Grauel.

Um dies zu ändern, spiele die Mobilität eine wichtige Rolle. Es wäre laut Jonas Grauel die „größte Maßnahme“, nicht mehr oder weniger zu fliegen. Jeder müsse sich zudem fragen: Fahre ich viel Auto? Fahre ich ein großes Auto? Nutze ich den ÖPNV oder das Fahrrad?

Ein zweiter wichtiger Baustein sei das Wohnen. Hierbei käme es auf eine ökologische Bauweise und gute Wärmedämmung an. Wie viel Platz benötige ich für mich – 60 Quadratmeter oder reichen auch 30 aus? Der dritte große Bereich, in dem man sparen könne, sei die Ernährung. „Flexitarische, vegetarische oder vegane Ernährung sind nachhaltige Ernährungsformen“, führt er aus.

Nachhaltigkeit müsse nicht teurer sein. „Saisonale Ernährung ist ein super Beispiel und meistens deutlich günstiger als eingeflogene Südfrüchte zu kaufen.“ Man könne auch mit wenigen Mitteln nachhaltig sein. „Oft leben die Menschen, die weniger Geld haben, automatisch nachhaltiger, da mehr Geld meistens mit einem höheren Konsumniveau verknüpft ist“, verdeutlicht Jonas Grauel. Jan-Philipp Jenke

Los geht‘s: Fangen wir einfach an

Vorwort

Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt: Diese Weisheit passt hervorragend auf jeglichen Versuch, sich eine nachhaltige Lebensweise anzugewöhnen. Eigentlich kann man nichts falsch machen – außer man macht nichts. Stellen Sie sich vor, sie müssten einem Kind, vielleicht Ihrem Kind, erzählen, warum Sie, als damals noch Zeit war, weiterhin Lebensmittel verschwendet haben, kürzeste Strecken mit dem Auto gefahren sind, Massentierhaltung in Kauf genommen haben als wäre nichts, als hätten wir einen zweiten Versuch.

Haben wir nicht. Haben die Generationen, die uns nachfolgen erst recht nicht. Das zu akzeptieren, ist einer der ersten Schritte auf dem langen Weg zu mehr Nachhaltigkeit – und wenn es nur ein kleiner ist. Wichtig ist nur, dass wir ihn alle gehen. Jeder kann etwas beitragen. Sei es der Verzicht auf Fleisch einmal in der Woche, sei es die Fahrgemeinschaft mit Kollegen, sei es bewusster einzukaufen, um Müll zu vermeiden. Viele Ansätze gibt es schon. Von niemandem wird erwartet, alles und alles richtig umsetzen zu können. Dafür ist unser Leben viel zu komplex, sind viel zu viele weltweite Abhängigkeiten entstanden.

Wenn ich das eine tue, muss ich nicht zwingend das andere lassen. Aber bewusst machen muss ich mir meine Entscheidungen: Brauche ich wirklich soviel Waschpulver für eine Maschine, ist das Stadtteilauto eine Alternative, kann ich auf neue Baustoffe setzen, ohne dass alles teurer wird? Wenn auch nur eine der Antworten hier ja lautet, muss ich aktiv werden. Verzicht ist nicht immer erstes Gebot, aber oft. Trotzdem muss unser Leben nicht trist und freudlos werden – aber gesünder, bewusster, nachhaltiger. Für uns und alle, die uns nachkommen. Laufen wir los! Claudia Bakker

Zur Person

Dr. Jonas Grauel ist bei der Verbraucherzentrale NRW Projektleiter im Bereich Ernährung und Umwelt. Außerdem leitet er das Projekt „MehrWert21“, mit dem die Verbraucherzentrale einen verantwortungsvollen, zukunftsfähigen und klimaschonenden Konsum unterstützt. Das Projekt wird jeweils zur Hälfte aus Töpfen des Landes NRW und der EU finanziert.

Weitere Themen