Sonderveröffentlichung
Ein Stück Musiktheater zwischen Opernpersiflage und Blues-Mythen

Das Musical The Black Rider: „Erdig, kernig und handgemacht“, so Musiker Manfred Sasse

Das Musical The Black Rider: „Erdig, kernig und handgemacht“, so Musiker Manfred Sasse

Jürgen Knautz und Manfred.Sasse (v.l.). In der Mitte (Gruppenbild von l.n.r.) Jürgen Knautz, Burkhard Heidbrink, Thomas Brand, Manfred Sasse, Matthias Fleige, Witold Grohs, Gereon Homann, Werner Raabe, Sophia Raabe, Christine Rudolf und Tobias Götzinger. Ganz rechts: Erika Jell und Rosana Cleve. 

Jürgen und Manfred, wie laufen die Proben? Jürgen Knautz: Wir haben jede Menge Spaß und lachen viel. Das Ensemble ist toll, und mit Meinhard verstehen wir uns prächtig. Ich genieße auch wirklich, nicht allein zu sein und mit Manfred einen versierten Pianisten an meiner Seite zu haben.Manfred Sasse: Danke für die Blumen. Das gebe ich gern zurück. Beim „Sturm“ vor vier Jahren habe ich ja die Musik allein komponiert, arrangiert und einstudiert. Das war durchaus belastend, bei der Konzeptionsprobe noch ganz am Anfang zu stehen und diese Last auf den Schultern zu fühlen, auch wenn am Ende alles just in time und von Erfolg gekrönt war. Dieses Mal gibt es die Noten schon und fast alles war bei Proben beginn bereits gut vorprobiert. Dazu habe ich jemanden wie Jürgen an meiner Seite, der eine lange Erfahrung in der Organisation und Kommunikation mit Bands mitbringt und zudem das Stück gut kennt. Das entspannt kolossal.Für „The Black Rider“ hat Jazz-Legende Tom Waits die Musik geschrieben. Das war die erste Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert Wilson. Es sollten später noch zwei weitere folgen, nämlich „Alice“ (1992) und „Woyzeck“ (2000). Was ist das Typische an dieser Schauspielmusik, was erwartet das Publikum?Knautz: Das Spannende an der Musik ist erstmal, dass es eine Re-Interpretation des Freischütz-Mythos ist. Den „Freischütz“ kennen viele so als urromantische Oper, und die Uraufführung ist ziemlich genau 200 Jahre her. Mit dieser Tradition spielt das Stück, auch musikalisch. Es gibt stilistisch sehr weit gefächerte musikalische Aspekte, die einfließen, zum Beispiel Country-Musik, Blues und Opernpersiflagen. Waits spielt mit verschiedenen Mythen. Musikalisch zum Beispiel im Song „Crossroads“ mit einem alten Blues-Mythos aus den USA der 20er Jahre. Romantisch finde ich die Musik von Waits aber auch, ich würde sogar sagen „wildromantisch“ (lacht).

Ein Stück Musiktheater zwischen Opernpersiflage und Blues-Mythen

Das Musical The Black Rider: „Erdig, kernig und handgemacht“, so Musiker Manfred Sasse-2
Manfred Sasse Foto: Tanja Weidner
Das Musical The Black Rider: „Erdig, kernig und handgemacht“, so Musiker Manfred Sasse-3
Ivana Langmejer und Jürgen Knautz. Foto: Tanja Weidne

Eine wilde Mischung aus vielen Genres?

Sasse: Vom Genre her gilt „The Black Rider“ ja als Musical. Bei dem Wort Musical denke ich aber an Beispiele, die eher etwas mit Hochglanz- oder Fließbandware zu tun haben, aber das ist hier, Gott sei Dank, nicht der Fall. Die Musik erscheint erdig, handgemacht, kernig. Waits hat sich in der Vorbereitung auch sehr mit den Brecht/Weill-Songs auseinandergesetzt. Ich finde, das ist absolut zu hören.

Knautz: Spannend ist auch die Besetzung, die dominiert wird von tiefen Bläsern. Es klingt alles etwas unheimlicher, als man erwartet. Wir haben eine Bassklarinette, eine Posaune, eine Tuba. Aber wir haben auch eine Violine und eine singende Säge und ein Harmonium, das Manfred spielt. Das gibt einerseits einen etwas altertümlichen, andererseits aber auch diesen mystischen Sound. Verstärkt durch das Marimbaphon. Eine obskure Instrumentierung, die nicht in jedem Musical vorkommt. Wir können klanglich experimentieren, das macht großen Spaß. Und: Nicht alles ist in Noten festgehalten. Ursprünglich wurde die Musik simultan zur Probenarbeit geschrieben. Das merkt man daran, dass manche Stimmen eine Niederschrift von Improvisationen sind. Die Noten, die wir heute spielen, die sind viel später festgehalten worden. Beispiel: Der Jodel-Teil des wahnsinnig werden den Georg Schmid ist aus einer Impro heraus entstanden und ist sehr herausfordernd, das genau so nachzuahmen. Man spürt in den Noten eine Direktheit und Lebendigkeit.

Das bedeutet, ihr bringt auch selbst Improvisationen mit ein?

Knautz: Wir haben eine tolle Band mit versierten Kollegen, hauptsächlich von der Westfälischen Schule für Musik. Die Musik hört selten auf, wie in einer durchkomponierten Oper, das heißt es gibt viele Musiken, die Szenen begleiten, und da kann man gestalten, natürlich in Absprache mit dem Regisseur. Sogenannte Texturen entstehen, in der jedes Bandmitglied etwas beitragen kann. Auch in den Stücken selbst gibt es gewisse Freiräume, etwa durch Jazz-Klischees, die erfüllt werden müssen.

Für „The Black Rider“ am WBT hat sich die „Brilliant Borchert Bullets Band“ formiert: Spielt ihr schon lange zusammen?

Knautz: Wir sind Kollegen und kennen uns schon sehr lange, das heißt mit Einzelnen habe ich bereits zusammengespielt, aber jetzt freuen wir uns sehr, auch mal in dieser Besetzung Musik zu machen und 52 Shows zu spielen. Wir schätzen uns alle, und die Erfahrung ist wunderbar.

Sasse: Das kann ich nur bestätigen. Die Arbeit ist sehr bereichernd! Knautz: Ich bin auf jeden Fall sehr dankbar, dass diese Kooperation mit der Westfälischen Schule für Musik besteht!

Sasse: Ja, das ist eine super Idee gewesen. Fast alle Band-Mitglieder sind aus dem Lehrerkollegium. Wir können im Mozart-Foyer der Schule unsere Orchesterproben abhalten, und die Schule für Musik unterstützt die Produktion mit Instrumenten: Das Marimbaphon etwa wird für die Vorstellungen zur Verfügung gestellt, und auf den Proben spiele ich auf einem Harmonium der Schule. In den Vorstellungen kommt dann ein eigenes Instrument des WBT zum Einsatz, das von einem edlen Spender kam und gerade auf Vordermann gebracht wird.

Knautz: Ich hoffe nur, wir finden die unterste Taste wieder . . . (lacht)

Sasse: Tja, das hoffe ich auch. . . Die muss bei der Zwischenlagerung des Harmoniums im Keller eine Abzweigung direkt in die Hölle genommen haben. . .

■ Manfred Sasse: Musiker und Pianist, seit 1982 Klavierlehrer an der Westfälischen Schule für Musik. Vielfältige Erfahrungen als Liedbegleiter im Bereich Klassik und Chanson, unter anderem mit Stephanie Rave. 2003 bis 2008 Mitglied der Kabarettgruppe Schulte Brömmelkamp. Zusammen mit der Klarinettistin Vanessa Hövelmann bildet er das Duo Dezim. Am WBT seit langen Jahren Schauspielmusiker, so als musikalischer Leiter („Ghetto“, „Mutter Courage“), Komponist („Lehman Brothers“, „Der Sturm“, „Die Schroffensteins“) und Performer („König Ödipus“ und andere).

■ Jürgen Knautz: Musiker und Bassist. Nennt sich selbst Allrounder und lebt eine gewisse Vielseitigkeit. Lehrtätigkeit an der Westfälischen Schule für Musik sowie an den Hochschulen in Münster und Osnabrück. Bühnenmusiker mit langjähriger Erfahrung, unter anderem als Orchestergeschäftsführer am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel. Zahlreiche Produktionen am Theater Münster, unter anderem auch „The Black Rider“ (2014). Jüngste Open-Air-Erfahrung an der Freilichtbühne Coesfeld (2019). Mitglied in zahlreichen Bands und Orchestern.
   

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